In diesem Artikel beschreibt CRISP-Research sehr anschaulich die Vor- und Nachteile der GAIA-X Cloud, der Idee des Bundeswirtschaftsministeriums eine deutsche/eu, Cloud als „Konkurrenz“ zu den amerikanischen Platzhirschen zu schaffen.
CRISP kommen zu dem Schluss, dass Gaia-X eine Chance hätte, wenn man die Fehler der Vergangenheit (zB DE-Variante von Office 365 der Telekom) nicht wiederholt. Gaia-x könnte attraktiv sein, da es eine offene Struktur bietet, die u. U. auch Multicloud-Anwendungen ermöglichen könnte.
Am Projekt sind laut der offiziellen Projektdarstellung des BMWI ca. 75 Personen aus Politik, Wirtschaft und Industrie beteiligt. Davon sind über den Daumen geschätzt 10-15 Prozent Personen, die was mit „IT“ zu tun haben und vielleicht 5-10% denen man explizite Cloud-Expertise zurechnen würde. Vertreter der Cloudanbieter AWS, Microsoft und Co sind nicht dabei.
Wenn ich mir vor allem das Personal des Gaia-X Projektes ansehe, komme ich zu dem Schluss, dass es sich um eine politische Idee handelt, die gut klingt, und in aktionistischer Weise (wir müssen was für die Daten unserer Unternehmen und Bürger machen) und mit Gewalt (wir müssen unbedingt jetzt mehr digitalisieren, ist ja en vogue), leider 10-12 Jahre zu spät, aus der Taufe gehoben wurde.
Welche Gedanken gehen mir zu Gaia-X durch den Kopf?:
-
Eine solche Cloud-Infrastruktur aufzubauen braucht Services, die Dev-Ops die Nutzung leichter machten als wenn sie on-prem arbeiten würden. AWS verfolgt das Ziel, 1000 Services pro Jahr neu bereitzustellen. Ob das Gaia-X bei aktuellem Fachkräftemangel gelingen kann, wage ich zu bezweifeln.
-
Um Gaia-X auf einen halbwegs wettbewerbsfähigen (hochsicheren) Stand zu bringen braucht es Geld, viel Geld. Ich würde mal von Milliarden EUR ausgehen. Wenn man vergleicht, dass für KI in DE bis 2025 im Vergleich zu China und USA läppische 3 Milliarden EUR bereitgestellt werden, stellt sich die Frage, wo diese Milliarden herkommen sollen. Da sind private Investoren gefragt.
-
Der Zeitplan ist extrem ambitioniert. Bis Ende 2020 (!?)! sollen nach der Gründung bis Mitte 2020 (!?!) erste Anwendungen stehen. Wenn man davon ausgeht, dass ein mittelkomplexes Softwareprodukt 1-2 Jahre bis zur Marktfähigkeit benötigt, ist das Risiko für Investoren in dieses Projekt zu investieren extrem hoch. Da stellt sich jedem Investor die Frage: was ist der Business-Case und ROI?
-
Der Business-Case ist für Investoren nur dann attraktiv, wenn das Angebot von Gaia-X preislich mit dem Wettbewerb von AWS und Co. mithalten kann und dennoch genug ROI abwirft, dass es mittelfristig Spaß macht. Ferner wäre ein Markt für Gaia-X, billigere aber genauso sicherer Lösungen wie für existierende on-prem Infrastruktur bereitzustellen. Den ersten Punkt halte ich bei 10 Jahre Rückstand zum Wettbewerb für sehr ambitioniert. Bei dem zweitem Punkt ist die Frage, ob klassische on-prem User ihre Daten aus Kostensicht in die Cloud schieben, wenn sie bereits heute aufgrund ihrer Datensouveränität bereit sind mehr zu zahlen.
Mein Fazit
Ich sehe das Projekt als extrem kritisch an. Aus meiner Sicht sollte lieber der Druck auf AWS, Microsoft und Co hoch bleiben, so dass Sie sich immer mehr bemühen unsere Regularien (zB DSGVO) noch besser einzuhalten. Microsoft hat darauf bereits reagiert.
Ich glaube so ein Projekt wie Gaia-X wird nur gelingen, wenn alle europäischen großen IAAS-Unternehmen zusammenarbeiten und massiv investieren, um die 10 Jahre Rückstand auzuholen. SAP und Telekom wird wohl nicht reichen.
Ferner haben wir in der Digitalisierung noch ganz andere Aufgaben. Vielleicht macht es als BMWI mehr Sinn, sich auf die wirklichen Probleme der Digitalisierung zu fokussieren (Digitales in der Energiewende, 5G, 4G flächendeckend etc)
Am Ende wird - so meine Glaskugelauswertung - Gaia-X beerdigt. Hoffentlich werden dabei aber keine Milliarden Steuergelder verbrannt, die dann an anderer Stelle fehlen.
Ich lasse mich aber auch gerne eines besseren belehren…
Was ist Eure Meinung?